Als die verschiedenen Gegenden vor langer Zeit hergestellt wurden, geriet Südfrankreich einfach zu perfekt. Ruhrgebiet und Sachsen-Anhalt beschwerten sich sofort lautstark und drohten, von der Erde zu springen, kein Lebewesen könne es ja mit dem Wissen um solch Wunderbarkeit dauerhaft in ihnen aushalten, alle würde es in den Süden ziehen. Logisch. Und nu?
Unterwegs
Tarn heilt alle Wunden
Als Prinzessin Enimie im 6. Jahrhundert in den Cevennen wie durch ein Wunder von der Lepra geheilt wurde, zahlte sie dafür einen vergleichsweise kleinen Preis: Sie musste für immer hier bleiben. Sobald sie die malerischen Schluchten des Tarn verlassen wollte, brach die Krankheit angeblich wieder aus. Nee, oder?
Und sonntags auch mal zwei
„Jetzt im Nachhinein kann ich beim besten Willen nicht sagen, was eigentlich passiert ist, dafür fehlen mir ein bisschen die Worte, aber es lässt sich ganz knapp zusammenfassen: Ich war ein Spatz.“ Tschilpzwitscher
„War scheene Zeit!“
Laszlo hat in Karl-Marx-Stadt gearbeitet, ist 71 und war mit zwei deutschen Frauen verheiratet, die aber leider nicht in seine Heimat „mit den Zigeunern“ ziehen wollten. Jetzt kassiert er bei der Donau-Schifffahrt in Esztergom.
Ob es die Puhdys noch gibt, will er wissen, von denen sei er damals ein Riesenfan gewesen. Und von Omega, deren Sänger ist nun ja auch 76.
Mit seinen deutschen Kollegen kam er wunderbar klar.
1971 hat er mit ihnen sogar vor dem Nischel – „gibt’s den noch?“ – betrunken „Hoch lebe Willi Brandt“ gesungen und dann alle vor der Polizei mit „Ich bin ein dummer Ungar und meinte Willi Stoph“ herausgeredet. „War scheene Zeit!“
An seinen Zähnen und in den Mundwinkeln klebt Tiegelwurst. Oder etwas anderes.
Reise ans Ende des Seins
Fahrradfahren ist oft unkommunikativer als Wandern. Wir fahren hintereinander, wegen des Gegenverkehrs, wegen eines schmalen Weges. Oder der orkanlaute Sturm von vorn reißt uns alle Wörter aus den Mündern und schlägt sie dahin zurück, wo wir gerade herkommen. Unsere Wörter dürfen nicht mit uns kommen und unseren Atem benötigen wir zum Treten der Pedalen, die uns über den unendlichen Radweg treiben und treiben und treiben, an das Ende des bekannten Universums, unzählbare Lichtjahre entfernt. Ein Reh treibt tot im Wasser, auch uns schwinden Kräfte und Willen, und doch nähern wir uns nach Äonen wortlos schnaufend dem sagenumwobenen Ende der Realität: Endlich in Gabčíkovo.
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“
Dieses Zitat von Ludwig Wittgenstein fiel mir heute Nacht und damit wie immer viel zu spät ein, als eine Handvoll Betrunkener „Happy Birthday“ gröhlend durch das Wombat Hostel zog. Dabei ist es bis zu Wittgensteins 130. Geburtstag noch sechs Tage hin. Dass er nebenbei in Wien geboren wurde, ist da schon fast zu viel des Zufalls.
A leiwandes Abenteuer!
Auf Bahnhöfen und Flughäfen bin ich eigentlich ganz gern, die Geschäftigkeit der dahin und dorthin eilenden Menschen greift dann immer auf mich über und plötzlich scheint alles möglich: Dass man in den Vindobona-Express von Prag nach Graz einsteigt zum Beispiel.
Kokle zupfen bei Guntis „Straumēni“ Nidolinš
‚Unnamed Road‘ befindet Google Maps und genauso sieht die Straße auch aus. Festgefahrener Lehm, unsere Staubfahne sollte für Alexander Gerst mit bloßem Auge zu sehen sein. Ohne den Storch, der an einer Kreuzung steht und uns nach Storchenart mit seinem langen Schnabel die Richtung weist, hätten wir das Haus von Guntis Nidolinš nicht gefunden.
Im Land der kritischen Störche
Wenn Julischka einen weißen Pullover mit schwarzen Ärmeln trüge, könnte sie in ihren schicken roten Strumpfhosen konzentriert auf einem Feld schreiten und aufpassen, dass der Bauer richtig mäht. Oder einfach am Straßenrand stehen und fremde Autofahrer zum Anhalten und Fotografieren bringen. So machen das alle Störche hier.
Stattdessen wirft sie ihren kritischen Blick auf eine Wiese am See und sagt nach einer Weile: „Ja, hier können wir bleiben.“
Kein Frosch weit und breit, nicht mal eine Maus.
Eine feste Burg ist unser Gott
„Mapsine sagt völlig sinnloserweise jedesmal den Straßennamen mit, dabei steht hier nirgendwo ein Schild, das den anzeigen würde.“ Wir streifen gerade Warschau und hetzen zwischen rasenden Cayennes und BMWs Richtung Osten, Rage Against the Machine brüllen „Bullet in the Head“ auf die Rückbank.
„Beim nächsten Kreisverkehr zweite Ausfahrt nehmen, um auf Droga Kachowa 8 zu bleiben.“, wiederholt Mapsine stoisch und wir wollen natürlich auf Droga Kachowa [1] bleiben und gehorchen. They say ‚Jump!‘ and you say ‚How high?‘.
Die Nacht verbringen wir auf einem der wenigen polnischen Zeltplätze, uns fällt wieder ein, dass die Menschen hier eher auf feste Häuser stehen. Das liegt wahrscheinlich am Glauben.