Zwischen Traum und Traum

Nachts, irgendwo
Um 4 werde ich munter. Das leise Murmeln der zwei Mütter auf den Sitzen gegenüber habe ich als bizarre Gespräche in deutsch und russisch in merkwürdige Träume eingebaut, leider gelingt es mir nicht, diese festzuhalten und aufzuschreiben. Der Waggon ist voller Zombies, die zwischen Schlafen und Wachen gefangen sind, in beim Anblick schmerzenden Positionen verharren, vielleicht seit Stunden. Der Umgang der wenigen Wachen mit ihren geistig abwesenden Mitreisenden wirkt sorgsam, man steigt vorsichtig über in den Gang ragende Gliedmaßen, wechselt sich beim Ablegen des Kopfes auf dem Tisch ab. Es kommt auch kein Essenwagen mehr vorbei. Ich habe überhaupt keine Vorstellung, wo wir uns befinden und schlafe wieder ein.

Konfuzius sagt: „In der Ruhe liegt die Kraft!“

Ihr Lieben,

unterwegs von Guilin nach Hangzhou. Mit dem Nachtzug. Auf einem Sitzplatz. In einem überfüllten Abteil voller schnatternder Menschen, chinesischen Schlagern aus Handylautsprechern, der Zug selbst scheint auch noch über eine Art Radio zu verfügen, aus dem als Hintergrund chinesische Flötenmelodien tönen und natürlich gibt es verschiedene angenehme und unangenehme Gerüche, ganz schön warm ist es auch. Die chinesischen Sitze passen zwar zu meinem Hintern, deren Lehnen aber nicht zu meinem Rücken, Beine ausstrecken ist auch nicht, überall steht Gepäck herum. Abfahrt ist pünktlich 19:40 in Guilin, Ankunft wird am nächsten Tag 12:35 in Hangzhou sein, ungefähr 1600 Kilometer in 17 Stunden. Nun kann man sich fragen, warum ich mir das antue. Die Antwort ist einfach: Weil ich es nicht anders hinbekommen habe und weil es mich nicht stört. Wünsche ich mir.

Will ich lesen!

Konfuzius sagt: „Wahre Schönheit kommt von innen!“

Ihr Lieben,

fast wäre ich Gefahr gelaufen, für immer in Yangshuo hängenzubleiben. Es ist einfach zu schön. Aber da das 1700 km vom Treffpunkt mit der Liebsten in Shanghai entfernt ist und ich natürlich noch mehr von China sehen muss, breche ich am Sonntagmorgen auf. Routiniert frage ich den Fahrer des ersten, für meinen Rucksack groß genug erscheinenden dreirädrigen Elektrokarrens, in bestem Chinesisch: „Guilin Bus?“ Er freut sich, zeigt mir die Geste für 15 (gekreuzte Zeigefinger für 10, aufblinkende Hand für 5), ich nicke, zahle, wir fahren los. Auf den ersten Blick wirkt er wie 75, sein Fahrstil ist der eines 18jährigen. Er singt unterwegs, grüßt diverse Leute an Straßenständen und lacht. Nach einer Weile hält er hinter einem Bus, allerdings noch lange nicht an der Yangshuo North Bus Station, zeigt darauf und wiederholt Guilin. Skeptisch steige ich ab, schnappe meinen Krempel und frage den Busfahrer: „Guilin?“ Nicken, lachen, twentyfive, einsteigen.

Weiter geht’s!

Konfuzius sagt: „Wie man in die Höhle hineinruft, so schallt es aus ihr heraus!“

Ihr Lieben,

heute hat es angesagt geregnet und war für bisherige Verhältnisse recht kühl. Was also tun? Das Hostel empfahl mir Höhlentouren, insbesondere die Silver Cave wäre ein wahres Kleinod – eher Großod – und man dürfe sie nicht verpassen. Also kurz nach Zwölf, als es aufhörte zu schütten, rein in die Stadt gelaufen, das „Yangshuo Sudder Street Guesthouse“ liegt ein wenig außerhalb von Yangshuo. Unterwegs kam ich am Imbiss vorbei, in welchem ich gestern recht lecker und preiswert gegessen habe. Der Koch stand wieder vor der Tür, winkte mir und ich sagte ihm, dass ich später nochmal vorbeikäme, ich müsse ja irgendwann zurück ins Bett. Er verstand.

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Konfuzius sagt: „Der Pfad der Tugend benötigt Zeit!“

Ihr Lieben,

kurz vor meiner Abreise aus Guilin nach Yangshuo will ich mir noch den Prinzen-Garten (engl.) mit dem einzelnen Stein (Solitary Rock) ansehen, der befindet sich direkt neben dem Hostel. Ich bin gut zu Fuß und denke, den Garten samt Felsen recht schnell hinter mich gebracht zu haben. So denke ich. Direkt am Eingang zur früheren Prinzen-Residenz fängt mich eine geführte Gruppe ein, bei jedem Ausbrechen holt mich die Touristenführerin mit ein paar bestimmten, chinesischen Worten und anweisendem Winken mit ihrer Fahne zurück in die Gruppe. Die Führung selbst ist ebenfalls ausschließlich auf Chinesisch, alle außer mir haben Kopfhörer im Ohr, welche die Stimme der großen Führerin zu jedem einzelnen tragen und eine rote Plakette um den Hals.

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Meine wichtigsten Reiseutensilien

Sind ganz klar, Hirn und Handy. Dazu kommt eine 10000 mA/h Powerbank mit Schnelladefunktion, die habe ich lieben gelernt, komischerweise geht mir hier öfter der Strom aus als in Japan. Unsere Stecker passen in 90% aller Fälle in die Steckdosen, nur Schuko-Stecker dürfen es keine sein. Kopfhörer, man fährt viel und weit.
In China empfiehlt es sich außerdem, immer eine Packung Papiertaschentücher in Griffweite zu haben: Als Klopapier, als Serviette und wenn man das überall gängige Hochziehen und geräuschvolle Rotzen auf die Straße nicht beherrscht oder nicht beherrschen will. Frauen beobachtet man dabei übrigens seltener. Die Taschentücher gehören danach in die nächste Tonne.

Auf den Rest, habe ich festgestellt, könnte ich verzichten.

Konfuzius sagt: „Xiexie!“

Ihr Lieben,

Shenzhen war viel angenehmer als erwartet. Durch die nervtötende Suche des Panda Hostels – Eingang ist in der Bank of China, falls mal jemand dort stranden sollte – ging mir China allerdings erstmal ordentlich auf den Wecker. Mit dem Polizisten, der mich direkt am Ausgang der Metrostation Lo Wu nach flughafenähnlichen Einreiseformalitäten an einen Taxifahrer verkuppeln wollte, kam ich dagegen noch klar, ebenso mit diversen Verkäufern unglaublich billiger Markenware – Chanel, Dior – wirke ich wirklich, als ob ich das kaufen würde? Meine Strategie ist immer Zurückfragen, irgendwas will man ja meistens wissen, wo das Hostel ist zum Beispiel. Auf Englisch natürlich, am besten gleich konkret mit Screenshot von Googlemaps. Bisher haben alle sofort den Rückzug angetreten.

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