„No religion is higher than humanity!“ Der Spruch an der Stoßstange eines schräg vor uns fahrenden Jeeps wird immer wieder vom Kopf der jungen Frau verdeckt, die vor uns sitzt und ihren Kopf so weit es geht aus dem Fenster reckt. Um Luft zu holen und um sich zu erbrechen. „Sie hatte gestern eine Operation am Bauch“, erklärt uns Tuesday, dieser Name steht zumindest auf seiner Jacke.
Tuesday ist ein älterer kleiner Mann, wirkt auf mich nepalesisch und wird kurz nach dem großen Kloster Tashiding aussteigen. Viel später als die frisch Operierte, die auf vielstimmiges Zuraten sämtlicher Mitfahrenden schon in Ranipool erschöpft das Auto verlässt, liebevoll, aber etwas hilflos von ihrem Begleiter umkümmert.
Sie müssen für die eine Stunde Fahrt zum Glück nicht auch noch was zahlen.
Don’t let your insurance expire before you! – Straßenschild auf dem Weg nach Yuksom
Wir sind halb sechs aufgestanden, mit unseren Rucksäcken zielstrebig durch halb Gangtok geschritten und haben das erste Taxi zum Deorali Bazaar genommen, von dort fahren die sogenannten Shared Taxi zu weiter entfernten Orten in Sikkim ab.
Es sind zwar nur 120 Kilometer bis Yuksom, aber die Straße ist meistens ein etwas breiterer Feldweg, mit großen Steinen, riesigen Schlaglöchern. Außerdem hat der Monsun, der dieses Jahr vier Wochen länger als üblich dauerte, dafür gesorgt, dass ein Drittel des Weges aus beräumten oder frischen Erdrutschen besteht und behindert wird, manchmal führt die Straße auf einmal einen Meter tiefer weiter. Und es geht entweder steil bergauf oder steil bergab, links oder rechts neben den Rädern teilweise weit über 1000 Meter fast senkrecht in die Tiefe. Der Grund der Täler wirkt wie aus einem Flugzeug betrachtet. Uns kommen häufig LKWs und andere Jeeps entgegen. Fast sieben Stunden werden wir heftigst durchgerüttelt.
500 Rupies/5,50 Euro kostet die Fahrt pro Person, Gepäck inklusive. Man kann auch nur Ware auf die Reise schicken, diese wird dann irgendwie auf magische Weise an den richtigen Stellen zur richtigen Zeit von ihren Empfängern entgegengenommen.
I will walk in the rain by your side – Straßenschild auf dem Weg zu einem Khasi-Shnong (Shnong – Khasi-Sprache für Dorf)
Ziemlich hungrig setzen wir uns nach diesem Höllenritt in Yuksom in die erstbeste Kneipe und treffen auf Andrea und Charles. Sie schockieren uns mit der Nachricht, dass die Treks im Kanchendzönga-Nationalpark ausschließlich mit Guide gestattet sind und dass diese Guides zwischen 80 und 100 Euro pro Tag und Person kosten. Der von uns anvisierte Dzongri Trek dauert in der Regel vier bis fünf Tage, würde uns zwei also zwischen 800 und 1000 Euro kosten und sprengt unser Budget deutlich. Wir zahlen normalerweise nichts für’s Wandern und hinterherschleppen lasse ich mir schon gleich gar nichts. Da man den dritthöchsten 8000er der Welt auch von anderen Stellen sehr gut sehen können soll, lassen wir diesen Plan fallen.
Wir erzählen im Gegenzug von unseren Abenteuern in Meghalaya, als wir bei den Khasi und an der Grenze zu Bangladesh waren.
Das muss ich an dieser Stelle auch hier ein bisschen nachholen:
An diesen vier Tagen waren wir mit einem Fahrer unterwegs, alles wunderbar organisiert von Katja und Shikha, die wir begleiten durften. Mein Herz quillt über vor Freude, wenn ich daran denke. Danke! 🥰
Nachdem wir bei den lebenden Brücken tausende Stufen hoch und runter liefen, beim Glamping im Saimika Resort im Zelt nächtigten und das sauberste Dorf Asiens sahen, fuhren wir an die Grenze zu Bangladesh. Zusammen mit tausenden Indys und noch viel, viel mehr Bangladeshys, die auf der anderen Seite des Grenzflusses ihren Freitag verbrachten. Bangladesh ist muslimisch, dieser Tag ist dort unser Sonntag, erklärt Shikha. Hunderte Boote fuhren wie wir den Fluß hoch und wieder runter, auf der anderen Seite wird viel gebadet, dutzende Stände stehen am Strand. Übersetzen und alles ganz genau angucken ging natürlich nicht, Bangladesh ist für uns visumpflichtig. Die Grenze wird zumindest auf indischer Seite auch genauestens bewacht.
Die Nacht zu Sonnabend verbringen wir in Shillong, der Hauptstadt Meghalayas, damit wir es rechtzeitig nach Guwahati schaffen. Dort trennen sich unsere Wege und wir steigen in den Zug nach Siliguri, von wo aus es am Sonntag per Sammeltaxi-Jeep nach Gangtok weitergeht.
Gangtok ist die Hauptstadt Sikkims, Ausländys benötigen dafür das sogenannte Permit, eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung, die zeitlich befristet ist. Diese kann man samt der dafür nötigen Passbilder und Fotokopien des Reisepasses an der Grenze in Rangpo bekommen.
Zurück in die Gegenwart, nach Yuksom. Es gab gerade Abendbrot, sehr lecker, ausnahmsweise mal nicht so scharf. Dazu liefen nepalesische Musikvideos. Selbstverständlich habe ich ein paar Videos shazamt und würde die gern verlinken! Aber das Netz macht mir hier in den Bergen einen Strich durch die Rechnung. Das hole ich im Telegram– bzw. WhatsApp-Kanal nach.
Morgen wird gelaufen!
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Geschrieben mit: Solee – Fusion-Set 2024