Indien, mitten in Europa. Nur nicht so warm, im Gegenteil, es hat geschüttet, ein kräftiger Wind weht. Die 14 Grad fühlen sich laut Wetter-App wie 9 Grad an, in Wirklichkeit noch kälter.
Bus
Vorsicht, Ansteckungsgefahr!
Und es begab sich, dass ich Speaker zum Thema „Ab wann ist ein Influencer ein Influencer“ hätte werden können. Die moderne Welt niest mir ja täglich Auswurf aus den Leben anderer, oft unbekannter Menschen vor’s Immunsystem, da ist die Gefahr groß, sich mit allem Möglichen zu influencen. Timeline nennt sich das und klingt schon ein wenig klebrig. „Immer in die Armbeuge!“, bin ich manchmal versucht zu rufen, dann kann man sich noch gefahrlos die Hand geben und schmiert den Schnodder nicht an die Haltestange im Bus.
Zum Glück bin ich geimpft.
Na shledanou!
„Und, kann man in Tschechien rumfahren? Lohnt sich das?“, werde ich nach Rückkehr in den Alltag gefragt. Man kann, es lohnt sich auch. Das Land ist ziemlich klein – alle seine 10,5 Millionen Einwohner würden locker in eine mittlere chinesische Stadt passen – man muss also etwas aufpassen, dass man nicht zu schnell durchgefahren ist. 4 Autobahnen gibt es, behauptete jedenfalls ein minderjähriger Mitfahrer, überprüft habe ich das nicht.
Nachteile des Campens
Als ich heute morgen erwachte
Mit Blick auf den See, die Sonne lachte
Stand im Wasser die Liebste nackt
Von hinten ihr Anblick eine Pracht
Ich setzte mich auf, die Sicht zu genießen
Sanft rauschten die Bäume, summten die Wiesen
Ihren Po suchte ich, und die Beene
Doch wo sie grad stand, schwammen zwei Schwäne
Und die flogen dann auch noch mit singenden Schwingen davon.
Konfuzius sagt: „Im Traum tanzen wir wie Kraniche!“
Ihr Lieben,
dieser Sonnabend ist der Tag meine Rückreise nach Hangzhou, dort wird am Abend die Liebste eintreffen.
Song „Die Erträumte“, so interpretiere ich völlig frei ihren von ihr ins Englische übersetzten Vornamen, dessen chinesische Variante ich leider vergessen habe (Song ist der Nachname, ihr Vorname würde die beiden Zeichen für Traum und nach, danach beinhalten) fährt ebenfalls dorthin und sitzt neben mir im Bus. Sie ist 20 und redet ununterbrochen, eine Mischung aus Chinesisch und kaum verständlichen englischen Brocken, tippt parallel dazu Zeichen in ihr Handy und zeigt die Übersetzungen erläuternd herum. Mühsam kann man auf diese Art Antworten auf die Mysterien chinesischen Lebens bekommen:
Konfuzius sagt: „Wo Licht ist, wird auch Schatten sein!“
Ihr Lieben,
in Hangzhou, übrigens Partnerstadt von Dresden, bekomme ich das erste Mal in China schlechte Laune. Schuld ist ein Europäer: Der Tscheche hat nichts besseres zu tun, als die halbe Nacht laut Sprachnachrichten hin- und herzuschicken, sämtliche Interventionen von mir und anderen Zimmerinsassen, überwiegend Chinesen, zu ignorieren, bei offener Badtür unangenehm geräuschvoll permanent das Klo zu benutzen (tagsüber in China allerdings eher die Regel), sich dazu unglaublich cool zu geben. Naja, zum Glück geht es am nächsten Tag weiter nach Huangshan, von dort will ich ein, zwei Tage später – je nach Wetter, es regnet – in das gelbe Gebirge, das Huangshan-Gebirge, die Stadt ist danach benannt oder andersrum.
Deutschland, deine Busreisen!
In Deutschland reist man archaisch mit dem Bus. Was gäbe man dafür, in einem rasant beschleunigendem Shinkansen Hikari Superexpress zu sitzen, nichts wackelt, am Tisch lässt sich problemlos die Tastatur benutzen, die Landschaft rast vorbei und nach nicht einmal zwei Stunden ist man in München, nicht zu satt und nicht zu hungrig von den Onigiris, die von bildhübschen Japanerinnen unterwegs gereicht werden.
Oder wenigstens in einem Schlafabteil der russischen Eisenbahn, draußen ist es dunkel, man schreibt noch ein wenig am Tisch, nichts wackelt, die Tastatur lässt sich problemlos benutzen, dazu ein Dosenbier oder ein Tee von der Deschurnaja, ein paar gestotterte Gespräche mit Mitreißenden, frisch und munter steigt man nach acht Stunden Schlaf in München aus.
Doch wir sind in Mitteleuropa, in Deutschland, dem Land, das eine der ersten Eisenbahnen der Welt betrieb. Mittlerweile, reichlich hundertachtzig Jahre später, ist der Zug finanziell dem Bus hoffnungslos unterlegen, hinzu kommt eine fatale Ausdünnung der Strecken. Dresden – München verschlingt im günstigsten Fall sechseinhalb Stunden und kostet das Doppelte des Busses, mindestens einmal umsteigen muss man außerdem.
Und so sitzt man da, weiß, wie es besser wäre und kann trotzdem nichts ändern. Die Sitze durchgesessen, die Autobahn voll, bei dem Gewackel undenkbar, den Tisch genannten Ausklappmechanismus ernsthaft zu benutzen.