Was hat man nicht alles für Vorstellungen von Chinas Elektronikmärkten. Schier unendlich groß, eine Fülle unbekannter Geräte zu einem Spottpreis. Die Wahrheit ist viel profaner. Groß sind sie in der Tat, sie können locker mehrere Etagen eines 20geschossigen Hochhauses einnehmen. Schlendert man an den einzelnen Läden vorbei, die sich auf einer Etage dicht an dicht drängen, stellt man fest, dass es größtenteils dasselbe wie bei uns gibt.
Und dass man alles reparieren lassen kann – bei einem beträchtlichen Teil der angepriesenen Sachen handelt es sich um Displays, Mainboards, sonstige Einzelbestandteile verschiedener Smartphones, Kamerateile, elektronisch und mechanisch. Inmitten der nerdigen Utensilien thront auch oft gleich rauchend der dazugehörige Fachmann oder die Fachfrau, manchmal auch Nudeln schlürfend, an diese wendet man sich, wenn das Handy mal wieder einen Sturz nicht überlebt hat. Die Freaks können natürlich nur begrenzt zaubern, wenn nichts mehr zu retten ist, verscherbelt man im wahrsten Sinne des Wortes die Reste oder legt für ein Neugerät noch ein paar Scheine obendrauf.
Hangzhou
Konfuzius sagt: „Im Traum tanzen wir wie Kraniche!“
Ihr Lieben,
dieser Sonnabend ist der Tag meine Rückreise nach Hangzhou, dort wird am Abend die Liebste eintreffen.
Song „Die Erträumte“, so interpretiere ich völlig frei ihren von ihr ins Englische übersetzten Vornamen, dessen chinesische Variante ich leider vergessen habe (Song ist der Nachname, ihr Vorname würde die beiden Zeichen für Traum und nach, danach beinhalten) fährt ebenfalls dorthin und sitzt neben mir im Bus. Sie ist 20 und redet ununterbrochen, eine Mischung aus Chinesisch und kaum verständlichen englischen Brocken, tippt parallel dazu Zeichen in ihr Handy und zeigt die Übersetzungen erläuternd herum. Mühsam kann man auf diese Art Antworten auf die Mysterien chinesischen Lebens bekommen:
Konfuzius sagt: „Wo Licht ist, wird auch Schatten sein!“
Ihr Lieben,
in Hangzhou, übrigens Partnerstadt von Dresden, bekomme ich das erste Mal in China schlechte Laune. Schuld ist ein Europäer: Der Tscheche hat nichts besseres zu tun, als die halbe Nacht laut Sprachnachrichten hin- und herzuschicken, sämtliche Interventionen von mir und anderen Zimmerinsassen, überwiegend Chinesen, zu ignorieren, bei offener Badtür unangenehm geräuschvoll permanent das Klo zu benutzen (tagsüber in China allerdings eher die Regel), sich dazu unglaublich cool zu geben. Naja, zum Glück geht es am nächsten Tag weiter nach Huangshan, von dort will ich ein, zwei Tage später – je nach Wetter, es regnet – in das gelbe Gebirge, das Huangshan-Gebirge, die Stadt ist danach benannt oder andersrum.
Nasenrücken bei 200 km/h
Morgens. 7:21.
Die meisten sind wieder wach, putzen Zähne, schminken sich an einer der vier Waggonwaschstellen, die Männer rauchen oder spielen Karten. Manche schlafen noch. Wir halten in Städten mit gigantischen Wohnhochhäusern, 30, 40 Etagen und vielleicht höher. Die Frauen an meinem Platz stehen zur Hälfte und schwatzen lustig durcheinander, lachen mich an, eine fährt immer wieder über ihren Nasenrücken und zeigt zu mir. Ich soll etwas antworten, weiß aber nicht worum es geht.
Der Zug fährt auf freier Strecke sehr schnell, sicher 200 km/h. Es fühlt sich alles entspannt an, auch wenn alle Gliedmaßen taub sind. Zähne geputzt habe ich auch schon. Das Zugradio läuft wieder. Noch reichlich 5 Stunden, ich bestehe hauptsächlich aus Hintern.
Zwischen Traum und Traum
Nachts, irgendwo
Um 4 werde ich munter. Das leise Murmeln der zwei Mütter auf den Sitzen gegenüber habe ich als bizarre Gespräche in deutsch und russisch in merkwürdige Träume eingebaut, leider gelingt es mir nicht, diese festzuhalten und aufzuschreiben. Der Waggon ist voller Zombies, die zwischen Schlafen und Wachen gefangen sind, in beim Anblick schmerzenden Positionen verharren, vielleicht seit Stunden. Der Umgang der wenigen Wachen mit ihren geistig abwesenden Mitreisenden wirkt sorgsam, man steigt vorsichtig über in den Gang ragende Gliedmaßen, wechselt sich beim Ablegen des Kopfes auf dem Tisch ab. Es kommt auch kein Essenwagen mehr vorbei. Ich habe überhaupt keine Vorstellung, wo wir uns befinden und schlafe wieder ein.