Wo anfangen? Mit den schlechten Dingen. Mir wurde im Hostel in Rennes aus dem verschlossenem Schrank Powerbank, Sonnenbrille, Taschenlampe und wer weiß, was noch alles geklaut. Das stellt sich peu à peu erst heraus, wenn ich die Sachen brauche und sie nicht mehr da sind. Heute morgen fiel mir das fehlende Feuerzeug auf, der Kocher blieb kalt.
3-Bett-Zimmer, ein Bett blieb bis um 11 nachts frei. Dann kam noch jemand, der morgens um 7 aber wieder verschwand. Mein Zimmernachbar hat ihn vermutlich nachts reingelassen und mich beim Frühstück im Blick behalten, damit der andere wiederkommen und noch in Ruhe das – zugegebenermaßen nicht hochsichere – Vorhängeschloss knacken und das beste von allem ausräumen kann. Man sieht ja immer mal sogenannte Lock-Picking-Videos auf YouTube, Anleitungen zum Schlösser öffnen ohne Schlüssel.
Nun zum besseren Teil. Rennes ist eine nette, mittelgroße Stadt mit über 60.000 Studys. Ich bin bissl rumgetingelt, hab die Powerbank ersetzt, war Schwimmen und bin am Nachmittag mit dem ÖPNV so weit raus in Richtung Mont Saint-Michel gefahren, wie es ging. Bis dahin sind es ca 90km. Auf der Karte sah die entsprechende Auffahrt auf die D715, die Fernverkehrsstraße nach eben dort, vielversprechend aus.
Absolute Ödnis. 15 Uhr hielt ich mein Schild den äußerst spärlich vorbeifahrenden Autos hin, in Gedanken schon den Horizont auf mögliche Zeltplätze checkend. Aber nach 15 min hielt Sandrine und ließ mich reichliche 20km vor meinem Ziel raus, natürlich wieder ein gottverlassener Ortsausgang. Sandrine näht übrigens super teure Lederhandtaschen, Sac Hermes, Stückpreis ab 25.000 Euro.
Zurück in die Sonne. In der stand ich dann, Publikum fand sich mit Bierflaschen und Stühlen auf der anderen Straßenseite vorm Haus ein und prostete mir interessiert zu. Sonntagnachmittagsprogramm vom feinsten, es wurde aber kein ganzer Film. 45 min machte ich Faxen, lächelte den seltenen Autofahrys zu, dann endlich ein älteres Paar im Wohnmobil, an deren Tisch ich vorschriftsmäßig angeschnallt durch meine 20 Vokabeln stolperte (nee, klappt eigentlich ganz gut, ich staune selbst), die mich gern noch zum Essen und Weintrinken eingeladen hätten, was ich aber mit dem Schlafplatz im Hinterkopf absagte.
Sonst wäre ich auch nie Jean-Pierre in die Arme gelaufen, 71, großer Fan der Spiritualität und von C.G.Jung, aber im Kern anarchischer Franzose. „Klar kann man hier auf den Wiesen vor dem Mont Saint-Michel zelten, hier kommt keine Polizei. Pass auf die Flut auf, die steigt manchmal bis hierher und vor allem auf die scheiß Entenjäger, die schießen im Suff schnell sich und andere tot.“ Dieser Satz verkürzt jetzt eine zweistündige Diskussion über die Kabbala, hebräische Buchstaben, Buddhismus, eben C.G.Jung, Ying/Yang-Theorien und was weiß ich nicht noch alles. Erst der Sonnenuntergang und Milliarden von Mücken entließen mich endlich in die Freiheit.
Trampen geht also noch, ich werde das noch ein paar Tage machen. Zelten sicher auch, aber nun ja, man wird eben älter und bequemer. Vermutlich flüchte ich alle zwei, drei Tage in was festes mit Dusche und Klo.
Frankreich hat sich verändert, haben wir früher noch problemlos leerstehende Scheunen oder ähnliches zum Übernachten gefunden, gibt’s das jetzt nicht mehr, zumindest nicht hier. So einen schweren Riesenrucksack hatte ich damals auch nicht, trotz Hundefuttersack, ich weiß nicht, was seitdem passiert ist.
Ansonsten Sightseeing, siehe Bilder.
PS: Ach so, Zelten ist natürlich eigentlich nicht einfach so erlaubt…
PPS: Das Zitat aus dem Screenshot in der Galerie – „Ein Würfelwurf wird den Zufall niemals auslöschen“ – stammt von Stéphane Mallarmé. Der „Ausflug“ hat sich als schon gelohnt, den kannte ich noch gar nicht. :-D