Schlammgrau wälzt sich der Ganges in Rishikesh aus dem Himalaya, breiter als die Elbe. Er wirkt trotzdem sauber, trägt nur jede Menge Erde aus den Bergen. Keine Plasteflaschen, keine Fastfood-Behälter, keine toten Kühe treiben in ihm. Viele baden beim Rafting, das hier sehr angesagt ist und mich in seinem Umfang beinahe an die Ardeche in Südfrankreich erinnert.
Der Bus aus der Planstadt Chandigarh, Doppelhauptstadt der Bundesstaaten Punjab und Haryana, ist kaum besetzt. Unterwegs lerne ich eine Niederländerin im Alter meiner Kinder kennen. Sie will in Rishikesh in einem Ashram 3 Wochen Yoga und Meditation praktizieren und wird 0:00 Uhr von einem Taxi an der weit außerhalb von Rishikesh gelegenen Bushaltestelle Nepali Farm abgeholt. Mein Sonntagskindglück lässt mich kostenlos in dieselbe Richtung mitfahren, 23 km sind es immerhin bis zu meinem Bett.
Rishikesh wird auch Yoga-Haupstadt genannt. Unzählige westliche Touristen glauben, hier endlich Körper und Seele sauber und fluffig biegen zu können und tigern in buntem Hippistyle durch die Gassen, auf der Suche nach, ja nach was eigentlich.
„How do you in Germany wash your sin?“, fragt mich Sourabh am nächsten Tag. Wir sitzen am Ufer des Ganges, essen frisch geröstete Erdnüsse, ein Joint dreht seine Runden. Sourabh und sein Freund kommen mit dem Motorrad aus Delhi, wo sie Jura und Maschinenbau studieren.
Ich überlege. Welche Sünden? Vielleicht dusche ich zur Zeit zu selten, erst hatte ich nämlich skin verstanden. Ich murmel was von „I am an atheist, I just believe in love and equality.“ Dann fällt mir ein, dass ich ja alle zwei, drei Tage in Dresden Schwimmen gehe, dass man dabei viel Zeit zum Träumen und Nachdenken hat, dass das vielleicht als Säuberung bezeichnet werden könne. Rituelles Baden und Beten in bzw. an der Elbe gibt’s bei uns jedenfalls nicht.
Als ich frage, welche Sünden sie denn wegwaschen müssen, fällt den beiden auch nichts weltbewegendes ein. Sie würden die Verkehrsregeln häufig missachten, sagt Sourabh. So what, ich wusste gar nicht, dass es hier welche gibt, sage ich. Eine Stunde oder länger sitzen wir da, schwatzen und lachen. Rishikesh ist schön.
Den Ganges werde ich später in Varanasi noch einmal sehen, hier ist er auf jeden Fall noch beeindruckend. Ich bin nicht so der Yoga-Typ. Vielleicht sollte ich ein bissl mehr für meine Beweglichkeit tun, den Schneidersitz üben zum Beispiel. Aber nicht hier, ich buche einen Sleeper Bus nach Pushkar und breche heute Abend meine Zelte ab.